Wenn man durch die Altstadt von Lyon schlendert, spürt man an vielen Ecken die reiche Geschichte der Stadt als Zentrum der Seidenweberei. Besonders im Viertel Croix-Rousse, wo sich einst Tausende von Webstühlen drehten, lebt diese jahrhundertealte Handwerkskunst bis heute fort – nicht zuletzt durch die traditionsreiche Manufacture Prelle, eine der letzten Seidenmanufakturen Frankreichs, die seit dem 18. Jahrhundert feinste Seidenstoffe herstellt.
Die Geschichte Lyons als Seidenmetropole begann im 16. Jahrhundert, als König Franz I. der Stadt das Monopol für die Seidenverarbeitung gewährte. Damit wurde Lyon schnell zu einer der, vermutlich sogar der wichtigsten Seidenweberstadt Europas. Die sogenannten “Canuts”, die Seidenweber und Seidenweberinnen von Lyon, schufen mit harter Arbeit ausgefallene Muster in Seide. Der lochkartengesteuerte Jacquard-Webstuhl war nicht nur eine Innovation seiner Zeit sondern legte auch einen Grundstein für den heutigen Computer. Somit hat die Textilkunst einen nicht überschätzbaren Effekt auf die heutige Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ausgeübt.
Die Manufacture Prelle, gegründet 1752, ist ein Juwel dieser langen Tradition. Bis heute fertigt sie luxuriöse Seidenstoffe auf historischen Jacquard-Webstühlen – viele davon sind weit über 100 Jahre alt – aber auch mit modernen Maschinen. Prelle ist weltweit bekannt für seine Fähigkeit, historische Stoffe detailgetreu zu rekonstruieren, wie sie in Schlössern, Museen, Kirchen und Palästen einst hingen und daher heute in Restaurationsprojekten noch immer gefragt sind. Zahlreiche berühmte Gebäude – darunter das Schloss Versailles, das Weiße Haus in Washington oder die Oper in Paris – wurden bereits mit Seidenstoffen von Prelle ausgestattet. Dabei ist die Liebe zum Detail essenziell: Muster, Farben und Webtechniken werden aus alten Dokumenten, Fragmenten oder Gemälden rekonstruiert, oft über Monate hinweg. Die Stoffe wirken nicht nur wie Originale – sie sind es im besten Sinne: aus denselben Materialien, mit denselben Techniken, auf denselben Webstühlen hergestellt.
Was Prelle besonders macht, ist der respektvolle Spagat zwischen Tradition und Innovation. Während einige Stoffe noch wie vor 200 Jahren auf hölzernen Webstühlen gefertigt werden, nutzt das Unternehmen heute auch CAD-Technologie, um moderne Designs auf Seide zu bringen. Die Manufaktur arbeitet mit Innenarchitekt:innen, Designer:innen und Museen weltweit zusammen – und schlägt damit die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.Somit spielt diese Tradition in der Mode und dem Interior Design der Gegenwart eine Rolle und bleibt so lebendig.
Bei einem Besuch in Lyon haben wir in den zahlreichen Textilgeschäften rund um das kleine und feine Musée des Canuts die Stoffe von Lyons Manufakturen bewundert. Wer Lyon besucht, sollte auf jeden Fall auf den Spuren der Seidenweber wandeln.
