Der Artikel “Welsh thatching and ship figurehead carving added to UK crafts red list” vom 13. Mai 2025 in der englischen Zeitung ‘The Guardian’ beleuchtet die alarmierende Zunahme gefährdeter traditioneller Handwerkskünste im Vereinigten Königreich. Die von der Wohltätigkeitsorganisation Heritage Crafts veröffentlichte „Red List“ verzeichnet nun 72 als „kritisch gefährdet“ eingestufte Handwerke – ein Anstieg von zehn Handwerken innerhalb von nur zwei Jahren. Besonders hervorzuheben sind das walisische Reetdachdecken und das Schnitzen von Schiffsbugfiguren. Beide wurden neu in diese Kategorie aufgenommen wurden und werden nur noch von wenigen Personen ausgeübt während es an Nachwuchs im Handwerk fehlt, sodass das kulturelle Wissen von Generationen nicht weitergegeben werden kann.
Das traditionelle walisische Reetdachdecken zeichnet sich durch seine charakteristische Form und spezifische Techniken aus, die sich von englischen Stilen unterscheiden. Laut dem Bericht von Heritage Crafts verschwinden diese einzigartigen Merkmale zunehmend, da viele Dächer in Wales nun nach anderen Methoden gedeckt werden. Ein Mangel an spezialisierten Handwerker:innen und Auszubildenden in diesem Traditionshandwerk trägt zu diesem Verlust bei.
Auch das Schnitzen von Gallionsfiguren am Bug von hölzernen Schiffen steht vor dem Aus. Obwohl noch einige wenige Meister:innen existieren, fehlt es an Nachwuchs. Die Schifffahrt hat sich in den letzten Jahrhunderten massiv gewandelt und Gallionsfiguren werden heute nur noch selten und vor allem im Bereich der Unterhaltung und Denkmalpflege historischer Schiffe nachgefragt. Die aufwendigen Holzschnitzereien, die einst die Bugspitzen von Schiffen zierten, sind heute selten geworden, und dieses Kunsthandwerk droht zu verschwinden.
Mehrere Faktoren tragen zum Rückgang traditioneller Handwerke bei. Zum einen liegt ein demografischer Wandel zugrunde wodurch erfahrene Handwerker:innen in Rente gehen und viel weniger junge Menschen in diese Berufe nachrrücken. Dies liegt wiederum oft daran, dass in diesen Berufen die Ausbildungszeit sehr lang und aufwändig sein kann, während die Verdienstmöglichkeiten durch eine geringe Nachfrage eingeschränkt sind. Viele Käufer:innen bevorzugen industriell hergestellte Produkte, da sie sofort verfügbar und deutlich günstiger sind. Zudem haben Handwerksbetriebe immer höhere Fixkosten wie Miete, Energie, Material und Lohnzahlungen an Mitarbeitende.
Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklungen gibt es auch positive Nachrichten. Einige Handwerke erleben eine Renaissance, darunter das Drechseln mit der Wippdrehbank und das Korbflechten mit Haselruten. Diese Wiederbelebung ist oft auf das Engagement von Enthusiasten zurückzuführen, die ihr Wissen weitergeben und Gemeinschaften rund um diese Techniken aufbauen.

Auch in Deutschland stehen traditionelle Handwerke vor ähnlichen Herausforderungen. Das Bewusstsein für den Wert solcher Künste ist entscheidend, um ihr Fortbestehen zu sichern. Initiativen wie die Anerkennung des Handwerks als immaterielles Kulturerbe durch die UNESCO können helfen, Aufmerksamkeit und Unterstützung zu generieren. Der Bericht von Heritage Crafts ist ein Weckruf. Er zeigt, wie schnell kulturelles Erbe verloren gehen kann, wenn nicht aktiv dagegen gesteuert wird. Es liegt an uns allen, diese wertvollen Handwerke zu bewahren und entweder selbst oder indirekt durch unser Konsumverhalten zu fördern. Wer beispielsweise kulturelle Institutionen und historische Gebäude besucht, der fördert oft auch die handwerklichen Traditionen, die für die Erhaltung dieser beschäftigt werden.